Warum Descartes lesen?

Doxographische Schriften oder Zweitschriften zu Orginalen vereinfachen für Dritte die Rezeption. Die Schriften bergen das Risiko der Fehlerhaftigkeit; die Deutung der Zweiten kann fehlerhaft sein. Descartes wird einerseits als Philosoph des Geistes gefeiert, andererseits wird ihm die Trennung von Körper und Geist vorgeworfen, die zu übersteigertem Idealismus und einer kruden Theorie führt. Um dem zu entgehen ist es hilfreich, Descartes im Orginal zu lesen. Wobei diese „Orginale“ auch durch Übersetzung und Aktualisierung der Sprache selbst fehlerhaft sein können. Das scheint aber das kleinere Übel zu sein.
Ich lese Descartes im Seminar mit anderen.

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In Präsenz

Die Präsenz im Sommersemester stellt eine alte Frage neu: wie sind die Lehrveranstaltungen über die Woche zu verteilen? Tat sie es in der Vergangenheit unter der Regie der Effizienz tut sie es neu unter der Regie der Sicherheit. Die Veranstaltungen sind so zu legen, daß Fahrten zur Universität vermieden werden können; Dahlem ist weit entfernt von Kreuzberg und eine Hin- und Rückfahrt mit der U3 pro Woche sind ausreichend.
Zu Beginn des Semesters sieht das Gesundheitskonzept eine grundsätzliche Maskenpflicht in den Räumlichkeiten vor. Diese wird überwiegend eingehalten. Mit steigenden Temperaturen und Dauer des Semesters korreliert allerdings eine abnehmende Zahl der Maskenträgerïnnen. Situationen des Unwohlseins häufen sich.
Im Wintersemester werden sich Fragen der gesundheitlichen Sicherheit und der Verteilung der Lehrveranstaltungen über die Woche erneut stellen müssen.

Webex und die FU

Die Berliner Datenschutzbeauftrage hat sich zur Nutzung von Webex an der FU Berlin geäußert. Vorausgegangen war eine Beschwerde des Asta. Erwartungsgemäß hat die Datenschutzbeauftrage die aktuelle Nutzung für nicht im Einklang mit der DSGVO befunden. Erwartungsgemäß deshalb, da an solchen Sytemen immer etwas gefunden werden kann und auch wird wenn nur tief genug gegraben wird.

Die Frage, die zu stellen ist betrifft die Expertise der Universität. Dort sind Menschen aus den Bereichen Informatik, Datenschutz, Recht und andere Fachleute beschäftigt. Wie sind diese Fachleute per Datenschutzfolgeabschätzung zu einer Bewertung gelangt, die den Betrieb zulässt; und wie untermauert ist sie?

Triggerwarnung zu rassistischer Sprache

In der deutschen Übersetzung des Buchs einer feministischen amerikanischen Wissenschaftlerin zur Genealogie von Rassismen wird das N-Wort gebraucht. Das Buch in deutscher Sprache erschien 1993. In Blackboard wird vor dem Lesen per Mail gewarnt und das Angebot gemacht den Inhalt der betreffenden Seiten in nichtrassisitscher Sprache zusammenzufassen und zu kommunizieren falls gewünscht. Die Lektüre dient als Vorbereitung zu einer Vorlesung. In der Vorlesung wird die rassistische Sprache nicht angesprochen, nicht problematisiert.

Ich erhielt so eine Warnung in vier Jahren Gasthörerdasein zum ersten Mal. Das Nichtthematisieren in der Veranstaltung verunsichert mich ein wenig. Sollte ich nachfragen?

Präsenz und Absage

Es wird ein Hybridsemester sein. Einige Präsenzveranstaltungen sind für Gasthörerïnnen geöffnet. Allerdings scheint die Koordination verbesserungswürdig zu sein. Bekomme für die einzige gewählte Präsenzveranstaltung eine Absage. Scheinbar wurde bei der Wahl der Räumlichkeit die Gasthörerïnnen vergessen.

Schade – aber das Weiterbildungszentrum zeigt sich kulant, ich kann eine andere Veranstaltung belegen und habe damit erneut vier Onlineveranstaltungen. Damit brauche ich nicht nach Dahlem zu fahren; in dunklen und ungemütlichen Herbst-/ Winterzeiten ist das auch eher unerfreulich.

Der Blick ins Vorlesungsverzeichnis WiSe 2021/2022

Der Blick ins neue ClassicVorlesungsverzeichnis für Gasthörerïnnen ist vor Überraschungen nicht gefeit. Ein neuer großer Block ist da – die Lateinamerikanistik. Die Veranstaltungen dazu sind sehr unterschiedlich: Gender, Digitalisierung, Geschichte, Kolonialismus u.a.. Biologie, Chemie, Geowissenschaften und Mathematik öffnen ebenfalls viele Veranstaltungen für Gasthörerïnnen; die Politikwissenschaften sind, wie immer, breit vertreten. Totalausfälle im Wintersemester sind Deutsche Philologie und Wirtschaftswissenschaften. Schade…

Die Schüchternen

Ich sehe mich als Gasthörer in einer Position der Zurückhaltung, in einer Rolle als Zuhörer. Lehrveranstaltungen sind zuförderst für die Studierenden da, sie sind es die sich den Lehrstoff erarbeiten sollten, die die Chance haben sollten sich zu beteiligen, die die Diskussion führen sollten, sich einbringen sollten, die Honig aus der Kommunikation saugen sollten. Auch Präsenzveranstaltungen sehen unterschiedliche Beteiligung, es gibt (einzelne) Gesprächsführerïnnen und Schweigende. In den Onlineveranstaltungen fühle ich mich in einer zähen Gesprächssituation unbehaglich, insbesondere wenn es längere Zeiträume des Schweigens gibt. Ich gebe meine Zurückhaltung auf und melde mich öfter zu Wort als ich möchte. Das ist mir ebenfalls unangenehm aber vielleicht kann ich so zu ein wenig mehr Engagement anregen. Zudem hinterfrage ich die Position der Gasthörerïn als eine zu-hörende.

In der jeweiligen Sprache lesen

Bis jetzt hatte ich auch Lehrveranstaltungen deren Gegenstand sich in der Orginalsprache am besten darbietet: altgriechische Poetik, chinesische Ästhetik, (alt)hebräische Texte, alt-/mittel(hoch)deutsche Schriften – Philologie als Grundlage. Doch keine dieser Sprache beherrsche ich, begnügen muß ich mich mit Übersetzungen. Werden Übersetzungen dem Gegenstand gerecht oder fügen sie zusätzliche Verzerrungen dem Verstehen, dem Deuten hinzu?

Webex ohne Video

Im Kurs scheinen viele schüchterne Menschen zu sein, die Äußerungsfreude ist gedämpft, keine Diskussionsfreude vorhanden. Einige Teilnehmerïnnen haben Video an, die meisten nicht. Der Dozent schaltet den Kurs in Teilgruppen. In einer Teilgruppe haben alle Teilnehmerïnnen Video und Audio abgestellt. Nach einer gefühlten Weile erscheint ein Sprecher, danach eine weitere. Mehrere melden sich nacheinander zu Wort, das Eis scheint zu brechen. Bei allen bleibt die Videofunktion ausgestellt.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Videofunktion und Kommunikation? Erleichtert die Bildlosigkeit die Kommunikation? Ist das eine Beichtstuhlsituation?

Das Sozusagen

Referate und Vorträge halte ich frei. Einige Stichworte schreibe ich auf, mehr nicht. Die Illusion hält mich gefangen, ich könne während des Sprechens meine Gedanken entwickeln. Meistens funktioniert das mehr schlecht als recht in meiner Rückschau. Während des Sprechens bemerke ich, daß ich die Worthülse „Sozusagen“ sehr oft benutze, was mir beim normalen Plaudern völlig abgeht. In der Anspannung während des Sprechens ist meine Widerstandskraft gegen die Worthülse völlig zusammengebrochen. Dieses „Sozusagen“ ist ja nicht nur der Ausdruck hoher Anspannung oder Verlegenheit sondern es scheint eine unbewußte Distanzierung von dem Gesagten zu erfolgen.

Was ist diese tiefsitzende unbewußte Scham – wie läßt sie sich auflösen?